Analysemethoden (Überblick)

Für die Beantwortung der o. g. Fragen sind verschiedene Methoden einzusetzen. Im Hinblick auf die Beschreibung des Vorkommens von Kommentaren in den verschiedenen Medien der untersuchten Länder kommen sowohl quantitative als auch qualitative Deskriptionsmethoden zur Anwendung. Mit ihrer Hilfe sollen konkret folgende Aspekte geklärt werden:

Beschreibung des Vorkommens von Kommentaren

a) Häufigkeit in bestimmten Medientypen

– in überregionalen und regionalen/lokalen Abonnement­zeitungen

– in deren Ressorts wie [Außen- und Innen-]Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport

– in überregionalen und regionalen Straßenverkaufszeitungen anderer­seits

– in den Online-Versionen der betreffenden Tageszeitungen?

– im Hörfunk (Radio) und im Fernsehen

b) Formale Aspekte (Kennzeichnung; AutorInnen; Erscheinungsort im Medium)

c) Verankerung in Textsortennetzen

– Relation zu anderen Textsorten informationsbetonten Charakters (wie Nachrichten/Berichte, Hintergrunddarstellungen, Experteninterviews usw.)

– Relation zu anderen meinungsbetonten Textsorten (wie Leitartikeln, Kolumnen, Glossen, Karikaturen usw.)

– Verhältnis der (meist expliziten) Bewertungen der Kommentare zu den (meist impliziten) Bewertungen in Berichten

d) multimodale Aspekte

Relation zwischen der Auswahl von Bildern und anderen grafisch-visuellen Formaten zu den Bewertungen in Kommentaren

Beschreibung von Text(gestaltungs)mustern

a) Funktionale Analyse sprachlich-kommunikativen Handelns

Ziel ist die Beschreibung der Handlungsstruktur einer großen Zahl von Kommentartexten mittels einer weiterentwickelten Form der Illokutionsstrukturanalyse (ISA).

Die ISA ist eine grafische Darstellung der Hierarchie der einzelnen Sprachhandlungen im Text, die einerseits die Stützungs- und Dominanzbeziehungen bzw. Gegensatz- und Objektrelationen zwischen den einzelnen Illokutionen sowie die dominierende Illokution oberster Stufe (= die Textillokution als Hauptmessage des Textes) zeigt und andererseits deren Platz innerhalb des Textes verdeutlicht. Der letztgenannte Punkt unterscheidet die ISA von der Argumentationsanalyse etwa im Sinne von Toulmin (2008), die ansonsten im Hinblick auf Stützungsbeziehungen eine Reihe von Ähnlichkeiten mit der ISA aufweist.

Das konkrete Vorgehen bei der ISA erfolgt auf zweierlei Wegen: Im Sinne eines Bottom-up-Verfahrens werden die illokutiven Rollen jeder einzelnen Sprachhandlung bestimmt. Nach dem Top-down-Verfahren wird die Textillokution ermittelt. Dabei können die Verfahren der Makrostrukturanalyse im Sinne von van Dijk 1980 (vgl. auch Kintsch 1998/2010) eine nützliche methodische Hilfe bieten.

Da die Illokutionsstruktur einzelner Texte einen so hohen Detailreichtum aufweist, dass er die Ermittlung typischer Textgestaltungsmuster kaum möglich macht, muss die ISA um eine Abstraktionsstufe erweitert werden. Dabei werden (Gruppen von) Illokutionen zu Handlungsschritten (im Sinne von Illokutionsclustern) zusammengefasst, deren Abfolge wiederum den Handlungsweg eines Textes konstituiert. Die Handlungswege verschiedener Texte weisen Ähnlichkeiten auf. Besonders häufig vorkommende Handlungswege werden als (prototypische) Textmuster identifiziert.

Beispiele für die ISA konkreter Texte finden sich auf der Projekt-Homepage unter https://blogs.helsinki.fi/styles-of-persuasion/

b) Analyse argumentativer Topoi

Der Topos gilt heute in der Sprachgermanistik als eine neu entdeckte rhetorische Kategorie und erlebt – insbesondere in der Erforschung der Medienkommunikation – seine Renaissance. Als methodische Grundlage des angestrebten interlingualen und intermedialen Vergleichs der Kommentartexte eignet sich die in der Tradition antiker (aristotelischer), mittelalterlicher und neuzeitlicher Typologien entstandene, moderne, empirisch fundierte Typologie der argumentativen Topoi von Kienpointner (1992). Er bezeichnet Topoi als „Teile von Argumentationsschemata, nämlich die inhaltlichen Schlußregeln, die den Übergang vom Argument/von den Argumenten zur Konklusion rechtfertigen“ (Kienpointner 1992, S. 194). Unter dem Begriff  „inhaltliche Schlußregel“ versteht er die Schlussregel des weit verbreiteten Argumentationsmodells von Toulmin (1996). Der Autor präsentiert an einem umfangreichen Korpus mit authentischen Texten aus der Presse und aus dem Fernsehen neun Großklassen, welche die 60 von ihm beschriebenen formalen Topoi für Alltagsargumentation umfassen. Ein Textvergleich, der auf dieser methodischen Grundlage basiert, erlaubt genauere Beschreibungen und Differenzierungen in Bezug auf die Großklassen der Topoi (z. B. kausale Topoi vs. Definitionstopoi vs. Autoritätstopoi) sowie in Bezug auf unterschiedliche Arten der Topoi innerhalb ein und derselben Großklasse. Ferner erlaubt er eine Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Topoi: Dies heißt, dass die Textautoren nicht nur die Fähigkeit, eine geeignete Schlussregel auszuwählen und somit ihr faktisches Wissen – das so genannte „Ist-Wissen“ – demonstrieren, sondern auch das „Soll-Wissen“, wenn sie die betreffenden Sachverhalte von ihren normativen Wissensbeständen abhängig bewerten.

Beim Aspekt der Normativität entstehen v. a. die Fragen,

(1)   inwieweit normatives Argumentieren für die Zeitungskommentare in verschiedenen Diskursgemeinschaften charakteristisch ist;

(2)  inwiefern sich die Kommentare in Zeitungen unterschiedlichen Typs unter dem Aspekt der Deskriptivität bzw. Normativität der argumentativen Topoi unterscheiden.

Im Interesse noch differenzierterer und aussagekräftigerer Erkenntnisse über die gängigen Denkschemata in den Persuasionen der Autorengemeinschaften (d. h. Diskursgemeinschaften) in verschiedenen Ländern bzw. in verschiedenen Zeitungsredaktionen könnte auf der Grundlage der bereits formal festgestellten Topoi eine Typologie mit themen-  bzw. kontextspezifischen Argumentationsmustern entworfen werden. Als Beispiel für einen entsprechenden methodischen Weg für dieses Vorgehen kann die monolingual ausgerichtete Arbeit von Wengeler (2003) dienen.

c) Analyse spezieller Verfahren der Textoptimierung und Misserfolgsprophylaxe im Sinne von Lüger (2005)

Gemäß den verschiedenen antizipierten Rezeptionshindernissen differenziert Lüger (2005: 13-17) Verfahren der Aufmerksamkeitsförderung (einschließlich Unterhaltungsangebot), der Verständnissicherung, der Komplexitätsreduktion und Akzeptanzwerbung, der Vermeidung von Dissonanzen und Identifikationsangebote.

Unterscheidung von Kommentartypen

a) in verschiedenen Medien und Medientypen

b) in verschiedenen Ressorts

Vergleich

Im Ergebnis der Einzeluntersuchungen ist ein Vergleich des Vorkommens von Kommentartypen und typischen Textmustern in den einzelnen Diskursgemeinschaften möglich, der zu einer (partiellen) Verifizierung oder Falsifizierung der Hypothese führt und, im Falle der Verifizierung, die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und Medientypen detailliert aufzeigt und erklärt.

 

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