Rückkehr nach Budapest

“Budapest”, habe ich in meinem Tagebuch vor acht Jahren geschrieben, “ist vielleicht die netteste Stadt Europas, die ich besucht habe.” Es ist sogar ein beklagenswerter Wunder, dass ich dort nicht früher habe zurückreisen können. Heute aber wohnt meine Mutter in München, wovon alle die berühmten, schönen Städte in Mitteleuropa leicht erreichbar sind. So haben wir zusammen entschieden: jetzt muss man wiederum nach Budapest!

Ich bin in München am Sonntag 17.5. angekommen. Am Samstag war ich in Schweden gewesen, um an einem Burschenschaftsfest teilzunehmen. Darüber habe ich schon etwas in meinem schwedischen Blog erzählt. Sowohl am Samstag als auch beim Reisen nach Deutschland hat es ganz weh in meinem linken Fuß getan, was möglicherweise von schlecht passenden Schuhen verursacht war. Also habe ich am Montag Laufen vermieden, und als am Abend die Zeit kam, uns zum Bahnhof zu begeben, gab es fast keinen Schmerz mehr.

Fahren mit einem Nachtzug kenne ich schon von früher her, nicht außer Finnland aber. Das Wetter ist ganz warm und windstill am Münchner Hauptbahnhof gewesen, mit einem schon verdunkelten Himmel – eine perfekte Stimmung, um eine Reise zu beginnen. Wir sind eingestiegen und uns im Liegewagen ein bisschen umgesehen, der war nicht allzu modern und hat mir natürlich gut gefallen!

Der Zug ist um 23:30 abgefahren, und die ganze Reise nach Budapest hat 9 Stunden und 30 Minuten gedauert. Halbwegs, in Salzburg, ist der Zug geteilt worden, worauf die eine Halbe nach Zagreb und Venedig gefahren ist und die unsere also nach Budapest. Wir haben unseren deutschen Wagenschaffner auch sehr fließend italienisch sprechen gehört. Was uns noch mehr überrascht hat, ist er kurz nach dem Abfahrt zu uns gekommen, um unsere Frühstücksgetränkswünsche herauszufinden. “Kaffee, Tee oder Cappuccino?” Wie nett, besonders wenn das nichts extra gekostet hat!

Meinen früheren Erfahrungen nach war es nicht bequem, in einem Zug gut zu schlafen, aber diesmal ist es etwas besser gelungen. In der Kabine ist es dunkel und ruhig gewesen, und das Bett habe ich breit und weich genug gefunden. Man muss nur den Vorhang ordentlich niederziehen, so dass das Sonnenlicht am Morgen nicht störend wird. Der krönende Effekt ist das Frühstück gewesen; außer Kaffee hat es nämlich auch Orangensaft und ein Croissant enthalten. Im Großen und Ganzen kann ich eine Nachtreise mit jenem ungarischen Zug am wärmsten empfehlen, und ich lege einen Link für mehrere Information zu.

Als wir endlich in Budapest an dem Keleti Bahnhof angekommen sind, ist das Wetter sehr heiß gewesen. Die Temperatur ist sogar über 30° gelegen. Wir haben die kurze Strecke zum Kálvin tér in der Nähe unseres Hotels mit der U-Bahn zurückgelegt. Unser Zimmer im Hotel Kálvin Ház ist noch nicht bereit gewesen, also haben wir nur unser Gepäck bei der Rezeption hintergelegt, und uns stracks zurück auf die Straße begeben, um essen zu gehen.

Es gibt wirklich viele Restaurants in Budapest, und auch die echt feine sind meist günstig nordischen oder deutschen Maßstäben nach. Das erste, das wir besucht haben, heißt Két Szerecsen (ausgesprochen wie “keet seretschen”, bedeutet “Zwei Sarazenen”). Dort findet man allerlei europäische Gerichte von Frankreich bis Bosporus und sogar einige asiatische und nordafrikanische Spezialitäten. Ich wage behaupten, dass man dort weiß, wie Gewürze und Grill gebraucht werden sollen – mein Mittag hat aus marinierte Schweinefleisch am Spieß mit Salat aus frischer Gurke, Tomaten und Frühlingszwiebel bestanden. Und das hat nur etwa sieben Euro gekostet.

Am Nachmittag haben wir unser Zimmer im Hotel zur Verfügung bekommen – das war unheimlich hoch, altmodisch mit großen Holzmöbeln eingerichtet, aber mit einem ausnahmsweise modernen Badezimmer. Es gab aber keinen Tresor im Raum und auch keinen Kühlschrank, was ich als ein wenig beklagenswert empfunden habe. Einen Fernseher gab es doch, aber den haben wir nicht einmal angemacht. Wir hatten nämlich schon etwas mehr interessante Unterhaltung für jenen Abend beabsichtigt.

Es ist um ein Konzert des ungarischen Pianist Dezső Ránki gegangen, in dem vier Klaviersonaten Joseph Haydns gespielt worden sind. Das Konzert hat im Palast der Künste (Művészetek Palotája) stattgefunden, der südlich von der Stadtmitte an der Donau steht. Uns ist im Konzert ein beeindruckender Durchschnitt der Klaviermusik Haydns vorgestellt worden, der mich an einigen Stellen sogar an den Ausdruck Beethovens erinnert hat. Besonders weise ich hier auf die Sonate in Es-Dur Hob. XVI:52 hin.

Während der Pause haben wir uns die hochentwickelte ungarische Weinkultur ein bisschen besser bekannt gemacht. Der Unterschied zwischen Bayern und Ungarn ist bemerkenswert, wenn es sich um Getränke handelt. In Ungarn scheint es schwierig, ein geschmackvolles einheimisches Bier zu finden; stattdessen gibt es überall einen großen Auswahl einheimischer Weine, von denen die verschiedenen Tokajers die bekannteste sind. Sie können sogar ein bisschen “edelfaul” schmecken – sowie der Furmint Tokajer, den wir verkostet haben – weil in der Herstellung Trauben gebraucht werden, die in einer besonderen Weise verschimmelt sind.

Am nächsten Tag ist es immer noch heiß und sonnig gewesen. Mit dem Frühstück des Hotel Kálvin Ház hat man völlig zufrieden sein können; es ist reichhaltig und kontinental gewesen, aber von keiner Spitzenqualität. Nach dem Essen sind wir mit der Straßenbahn und dem Bus von Pest, also der östlichen Stadthalbe, nach Buda im Westen gefahren, um die Türbe des Gül-Baba zu betrachten.

Gül-Baba war ein türkischer Derwisch und Dichter, der in dem 16. Jahrhundert gelebt hat. Er ist unter unklaren Umständen gestorben, in Budapest gegraben worden, und heute verehren die Muslimen ihn als Heiliger. Seine Türbe in Budapest liegt an einer hohen Stelle in eine, ruhigen Gebiet und ist nicht unbedingt leicht zu finden. Die Adresse ist Mecset utca (Moscheestraße) 14. Ich kann doch einen Besuch dort am wärmsten empfehlen; dieses Denkmal der osmanischen Geschichte der Stadt ist sehr stimmungsvoll und idyllisch.  Wer die Comics des Hugo Pratt (besonders Corto Maltese) kennt, spürt hier etwas von der Schönheit, die der Meister in seinen Werken hervorgebracht hat.

Nach dem Besuch an der Türbe haben wir unsere Reise mit dem Bus und teilweise zu Fuß fortgesetzt. Das Burgviertel, das südlich von der Türbe in Buda liegt, könnte man eigentlich die Altstadt Budapests nennen – wenigstens sind die allerersten bisher gekannten Gebäude im Stadtgebiet dort gebaut worden. Heute stellt das Viertel aber meist barocken Stil dar.  Wir haben dort das Kriegshistorische Museum besucht – das war ganz umfassend, aber die Zusammenarbeit der Ungarn und der Deutschen im Zweiten Weltkrieg hätte ausführlicher vorgestellt sein können. Vielleicht ist es so, das man nicht eingestehen möchte, das die Ungarn die Nazis unterstützt haben. Warum dann nicht? Kriegsgeschichte ist meist irgendwie schmutzig, und das sollte kein Tabu sein.

Die Hauptkirche der Stadt, Matyas templom, liegt im südlichen Teil des Burgviertels. Sie erinnert doch mehr an ein Museum als eine Kirche, weil man dort eine Eintrittskarte kaufen muss, und weder Priester noch andere Angestellter zu sehen sind. Die Kirche ist doch sehenswert; der Saal ist reich mit bunten Ornamentmustern und Gemälden dekoriert, und vom außen sieht das ganze Gebäude wie ein steiler, holperiger Berg aus.

In der Nähe der Kirche findet man auch ein der alten Cafés der Stadt, Ruszwurm. Ich glaube, alle ihren Kuchen sind am wärmsten zu empfehlen, doch wir haben nur zwei verschiedene probieren können. Trotz dem großen Auswahl von Tee und Kaffee haben wir uns mit eisiger Limonade erfrischt, die sogar hausgemacht zu sein schien. Übrigens ist Limonade ein populäres Getränk in Budapest, und ein paar Gläser pro Tag macht niemandem Schade!

An jenem Abend haben wir in einem der feineren Restaurants der Stadt gespeist. Es handelt sich um Fausto’s étterem, das italienische Spezialitäten schon seit 1994 bietet. Das Restaurant sieht mit seinen weißen Wänden und grauen, weichen Stuhlen sehr hell und modern aus, was in Budapest eigenartig ist. Alles – sowohl Entenbrust mit Hauskäse und Aubergine, Kalb-Ravioli mit Spinat, als auch die Torte  mit Ananas – ist sehr gut gewesen; sieht man aber die höhen Preise an, hätte vielleicht noch etwas besseres erwartet werden können.  Die Bedienung dort ist doch sehr freundlich und geschickt gewesen.

Unser letzte Tag in Budapest ist schon ein bisschen reinig gewesen. Eine gute Weile schwendeten wir im Suchen nach neuen, wasserdichten Schuhen für Mutti. Erst, am Vormittag, war es aber die Zeit, Mitbringsel einzukaufen. Dafür eignete sich sehr gut die Große Markthalle, die sich in der Nähe der Szabadság híd (Freiheitsbrücke) auf der Pest-Seite befindet. Wir haben dort nette Kleider, Schmucke und örtliche Lebensmittel gefunden, und etwas für jedem unserer nahen Verwandten in Finland gekauft. Als Kuriosität könnte man die alte, sowjetische Armbanduhren nennen, die in der Halle zum Verkauf stehen – und nein, die sind doch nicht besonders günstig!

Vor unserer abendlichen Abfahrt haben wir auch etwas zu essen gebraucht, und das haben wir im Restaurant Gerlóczy Kávéház bekommen. Wir haben eine ziemlich lange Weile daran nachgedacht, welches Restaurant wir nun wählen sollten, und ich glaube, dass wir uns für das richtige entschieden haben. Der Name weist auf die Geschichte des Platzes als ein Kaffeehaus hin, und der sieht ja auch wie ein aus – aber es gibt einen großen und, unseren Erfahrungen nach, leckeren Auswahl von sowohl ungarischen als auch übrigen europäischen Gerichten. Das Geschick, Kaffee zu kochen, haben die Leute dort auch nicht verloren. Gehet dort, wenn ihr euch in Budapest befindet.

Ich habe die Stadt wiedermal sehr nett gefunden. Besonders nett war, dass die in der europäischen Presse hart kritisierte parlamentarische Entwicklung Ungarns keinen Einfluss auf die Stimmung der Stadt gehabt hat. Die Menschen dort sind freundlich, aber nicht auf die irgendwie übertriebene, “amerikanische” Art. Viel mehr freundlich, habe ich bemerkt, wie zum Beispiel in Polen. Die Preise sind niedrig, das Essen ist gut und die Landschaft schön; es gibt interessante Kunst, Architektur und Musik. Was mehr möchte man? Doch, die berühmten Bäder in Budapest bleiben mir noch unbekannt – aber nicht länger als bis nächster Reise!

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